Ich fühle was

Klappentext:

Die 13-jährige India lebt mit ihren Hippie-Eltern und ihrem Bruder Che in der bürgerlichen Umgebung einer süddeutschen Kleinstadt. Intelligent und mit spöttischem Scharfblick betrachtet sie die Welt der Erwachsenen und durchschaut deren Lebenslügen. Ihr Nachbar, ein Musiklehrer, überredet sie zu Klavierstunden und entdeckt ihre große musikalische Begabung. Während ihre Eltern mit einer Ehekrise beschäftigt sind und Che in die Kriminalität abzudriften droht, entsteht zwischen India und ihrem Lehrer eine einzigartige Verbindung, getragen von der Liebe zur Musik. Doch in einem einzigen Moment zerstört er ihr Vertrauen, und India steht vor einer furchtbaren Entscheidung: Ihr Geheimnis öffentlich zu machen – oder für immer zu schweigen.

Rezension:

Amelie Fried hat mich auf eine Zeitreise in das Jahr 1975 mitgenommen, in die Zeit von Bhagwan, Frauengruppen und noch einiges mehr, das ich aber nicht alles aufzählen möchte, da ansonsten die Rezension über 20 oder mehr Seiten lang wird.

Die Autorin beschreibt eine Familie, welche wohl einige der damaligen Probleme gut widerspiegelt. Es ist die Zeit der „Freien Liebe“ aber auch eine Zeit, in der es einen Konflikt gab, welchen wir heute doch sehr oft vergessen. Ich spreche vom Konflikt mit der alten Generation, also der Generation, die den 2. Weltkrieg und das dritte Reich erlebt hat und wo es sicherlich noch einige Altnazis gegeben hat. In unserem Fall ist es der Opa Fritz von India und Che, welcher sich absolut mit dem Gedankengut der Nazis identifizieren kann.

Dem gegenüber steht Willi, der Vater von India und Che, der seinen Vater verloren hat, da er ein Jude gewesen ist. Dass dies zu einem sehr großen Konflikt führt, kann man sich sehr gut vorstellen. Auch wenn Willi darum ein Geheimnis macht, bekommt immer wieder mit, wie sich Indias Eltern genau deswegen streiten.

India und Che werden mit absoluter Freiheit aufgezogen. Sie bekommen keine Grenzen aufgezeigt, haben eher weniger Regeln. Auf den ersten Blick genießen sie eine Freiheit, die eine tolle Sache für die beiden ist. Da aber die Mutter  noch nebenbei in einem Selbstfindungsprozess ist, ist sie irgendwie nie in der Lage, ihren Kindern regelmäßige Mahlzeit oder gar ein offenes Ohr zu bieten, weswegen India sich schon sehr früh immer mehr bei ihrer besten Freundin Bettina und ihren Eltern aufhält.  Sie ist dort mehr zuhause als bei Ihren Eltern, zumal dort aus verschiedenen Gründen dann auch noch eine Ehekrise heranwächst. Deswegen haben Indias Eltern auch noch weniger Zeit für ihre Tochter, wobei India wegen der im Buch beschriebenen Ereignisse ihre Eltern gerade jetzt am meisten benötigt hätte.

Nun komme ich mal auf Che zu sprechen. Dieser bewegt sich eher bei dem Altnazi Fritz und stößt dann durch seinen Opa zur Wiking-Jugend. Damit sind wir dann bei dem einzigen Problem, welches ich mit dem Buch hatte. Mir war sehr schnell klar, dass in dem Fall die Wiking-Jugend gemeint war und nicht wie India am Anfang gedacht hat die Pfadfinder oder die Wandervögel. Man muss dazu sagen, dass die Wiking-Jugend eine Organisation war, welche der NPD sehr nahe stand und 1994  wurde verboten. Sie war gerade in den 70er Jahren sehr populär, weswegen ich mir auch gut vorstellen kann, dass sich das beschriebene genau so zugetragen haben könnte.

Was mich aber immer wieder aufregt ist, dass die Bündischen Organisationen z.B. Pfadfinder und Wandervögel in einem Satz mit solchen Organisationen wie die Wiking-Jugend oder der HJ genannt werden – nur weil diese Organisationen die Kluft der Pfadfinder nutzen, wobei da dann oft vergessen wird, dass es die Pfadfinder seit 1907 gibt und die Wandervögel seit 1896 und Hitler sich einfach der Kluft bedient hat, da er dachte, dass diese Organisationen in seine HJ übergehen würden. Weit gefehlt! Wandervögel und Pfadfinder waren verboten, aber sie existierten im Untergrund weiter, und dass Mitglieder beider Organisationen wenn sie erwischt wurden ins KZ gesteckt wurden, vergessen die meisten Menschen.

Sicherlich ist es so, dass es in jedem Verein Schwarze Schafe gibt – davor sind auch die Pfadfinder nicht gefeit, aber man sollte die Organisation nicht mit den rechten Organisationen in einem Atemzug nennen. Das verbietet sich schon alleine durch das Pfadfindergesetz. Dort steht:

“A Scout is a friend to all, and a brother to every other Scout, no matter to what social class the other belongs.”

„Ein Pfadfinder ist ein Freund zu allen und ein Bruder eines jeden Pfadfinders, egal zu welcher gesellschaftlichen Klasse der Andere gehört.“ [1]

Dies ist zwar nur ein kleiner Teil in dem Buch, aber mir ist es wichtig. Ich hoffe, dass sich vielleicht mal ein Autor oder Autorin das ganze zu Herzen nimmt und statt uns Pfadfinder in einem Atemzug mit der HJ etc. zu nennen, vielleicht auch mal etwas differenziert.

Alles in allem ist es aber trotzdem ein gutes Buch, wo ich mir doch des Öfteren gedacht habe, ok das kann so passiert sein. Auch das Problem, welches India im besonderen mit Christian hat, aber bei Ihren Eltern nicht die Nötige Unterstützung fühlt und bekommt, da diese mit ihren eigenen Problemen zu viel zu tun haben, klingt realistisch.

Frau Fried spricht mit einem klaren und gefühlvollen Blick einige wichtige Themen in dem Buch an. Es erscheint alles logisch und ist auch für mich immer wieder gut zu verstehen, zumal ich nun wirklich nicht unbedingt ein Freund dieses Genres bin.

Ich finde man kann dieses Buch lesen und genießen, und dabei noch einiges lernen. India und ihr Bruder Che wachsen einem sehr schnell ans Herz, wobei mir die 13-jährige India doch teilweise etwas zu reif und erwachsen erscheint. Aber vielleicht machen auch all diese Gegensätze gerade den Charme dieses Buches aus.

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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Pfadfindergesetz

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