Generation Kohl

Klappentext:

Ob man ihn nun mochte oder nicht: Mit Helmut Kohl, dem am längsten amtierenden Bundeskanzler Deutschlands, verbindet eine ganze Generation die Erinnerung an eine besondere Zeit. Damals konnten wir noch zwischen Gut und Böse unterscheiden und auch ohne Facebook und Tinder entstanden Freundschaften fürs Leben. Für die meisten Familien war der gemeinsame Samstagabend heilig und der zweiwöchige Adriaurlaub war der Höhepunkt eines jeden Jahres. Es war eine Zeit des Friedens und der Sicherheit.

Andreas Hock erzählt anhand von politischen Ereignissen und persönlichen Erlebnissen aus einer Ära, deren tatsächliche Bedeutung wir erst jetzt, nach dem Tod Helmut Kohls, wirklich ermessen können. Generation Kohl ist ein Buch für alle, die sich angesichts der extremen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und einer immer hektischer werdenden globalisierten Welt ein bisschen nach der langweiligen guten alten Zeit sehnen …

Rezension:

Als bekennender Teil der Generation Kohl, Baujahr 72, kann ich mit vielen Dingen Konform gehen, die Andreas Hock geschrieben hat. Aber so ein paar Punkte, muss ich dann doch bemängeln.

Obwohl ich aus einem politischen Haushalt komme, und dies auch noch aus einem SPD geführten, muss ich zu meiner Schande gestehen, das konstruktive Misstrauensvotum habe ich nicht so mitbekommen. Mitbekommen habe ich die Wahlplakate der SPD und kann bestätigen: Nein, die haben nicht zum Wählen der Partei angeregt.

Ich fand aber, dass Andreas Hock dies irgendwie als 8-Jähriger erstaunlich intensiv mitbekommen hat. Deswegen habe ich irgendwie in dem Punkt meine Zweifel, ob der Autor es nun wirklich so intensiv mitbekommen hat, wie er es beschrieben hat. Mag dies nun bei der Wahlkampfveranstaltung auf dem Marktplatz gewesen sein oder das mit den Gammlern, sprich den Grünen, man ist schon versucht zu überlegen, ob da doch die Erzählungen der Eltern die Erinnerung etwas beeinflusst haben. Wobei ich sagen muss, dass ich aufgrund bestimmter Familiärer Zusammenhänge auch schon früh Kontakt mit den Grünen hatte und diese für mich keine Gammler waren. Sie waren halt mit einem Parteifreund von meinem Vater verbunden und ja, sie war auch sympathisch und so ist es auch heute noch.

Also die Wahlabende sind bei uns eigentlich immer anders abgelaufen. Man hat zusammen die erste Hochrechnung angesehen und dann verschwanden meine Eltern zur Wahlparty. Es war kein gemeinsames Erlebnis, so wie der Autor es beschrieben hat.  Aber das Wahllokal war auch bei uns immer in der Grundschule und ist es auch heute noch. Und ja, wir sind da immer gemeinsam hingegangen und ich empfand dies auch immer als spannend.

Komme ich nun zu dem Punkt wo ich abends im Bett fast hochgegangen bin. Da irrt sich der Autor definitiv.  Die heute Nachrichten im ZDF waren schon immer, seit ich denken kann, um 19 Uhr und gingen bis halb acht. Laut meinem Vater und Nachbarn, die noch etwas älter sind, war die Ausnahme der Anfang des ZDFs bis 1973. Damals fing die heute Sendung wirklich erst um 19:30 Uhr an – aber niemals während der Amtszeit von Helmut Kohl.

Ein weiter Punkt, der korrigiert werden muss ist, dass Hessen kein richtiges Bundesland sei und keine große Rolle gespielt habe. Dem muss hier vehement widersprochen werden. Hessen ist ein richtiges Bundesland und war durchaus relevant. Die Umweltbewegung hatte mit den Demonstrationen rund um Biblis und die Startbahn West des Frankfurter Flughafens definitiv Einfluss auf den Erfolg der Grünen in Hessen 1982. Und man kann sehen wie weit wir auch schon in den 80er waren, mit einem Minister wie Joschka Fischer.

Aber ich glaube dies liegt einfach auch an dem Selbstverständnis, welches man als Hesse gegenüber Bayern hat und genauso umgekehrt. Da musste ich einfach lachen und dachte ok, könnte von mir sein – genauso, nur umgekehrt.

Wo ich mit Andreas Hock komplett konform gehe, ist der Punkt, dass wir vielleicht nicht alles so ernst nehmen und doch gelegentlich mal fünfe gerade sein lassen sollten, wie es in den 80ern und Anfang der 90er einfach normal war.

Da ich selbst in der Gewerkschaft aktiv war, kann ich bestimmte Punkte bestätigen. Viele Dinge wurden bei Bier und Schnaps ausdiskutiert und waren auch am nächsten Morgen noch immer gültig. Ich kann mich an Sachen erinnern, die mich Tage danach aus der Bahn geworfen haben, aber auf die Ergebnisse bin ich noch heute stolz, dass ich da dabei war – so, wie es wahrscheinlich auch bei Andreas Hocks Vater war.

Gut man merkt, ich bin nicht gerade mit allem was der Autor geschrieben hat einverstanden, aber, und dies ist mir wichtig, er hat trotzdem gewisse politische und gesellschaftliche Strömungen in dem Buch wiedergegeben, die so waren. Jeder, der diese 16 Jahre mit Helmut Kohl erlebt hat, kann auf andere Dinge zurückblicken. Teilweise war es vielleicht unverfälschter als heute, aber ich glaube wir hatten ein anderes Selbstverständnis. Es wurde nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Vieles war einfach langsamer und man hat dadurch vielleicht manchmal etwas mehr nachgedacht, oder einfach eine Nacht drüber geschlafen. Ich würde mich gerne mal mit dem Autor unterhalten – einfach mal über diese 16 Jahre ein wenig reden und sich austauschen.

Es ist aber hauptsächlich ein Buch für Menschen, die noch etwas jünger sind und sich einfach mal kurz sich in die Zeit einlesen möchten. Und ich verspreche, diese Zeit war mehr als schrille Klamotten und 80er Jahre Musik.

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