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Wie ist das eigentlich, wieder ins Theater zu gehen? Diese Frage stellte ich mir dann doch im Laufe der letzten Wochen immer wieder. Also mein Gedanke war, wie wäre es zum eingewöhnen mal ins Kleine Haus in Gießen zu gehen.

Das Stück Café Populaire hat mich dann doch schon seit längerem gereizt. Gesagt getan. Man kommt also erst einmal rein und oben sitzt man dann so ganz gemütlich, holt seine Karte ab und noch etwas zu trinken. Das erste Lächeln haben mir dann die beiden Bedienungen hinter der Theke ins Gesicht gezaubert.

Diese beiden an diesem Abend waren einfach herzerfrischend locker und gelöst und so wurde ich dann auch immer lockerer und gelöster. Es gab auch noch eine Einführung ins Stück, in der man gewisse Grundzüge des Stückes und der Autorin nähergebracht bekam. Die Autorin des Stückes heißt Nora Abdel-Maksoud. Sie wurde 1983 geboren und hat auch schon den Kurt-Hübner-Preis für Regie gewonnen. Gut, wer mich kennt weiß, dass mich so etwas eher abschreckt. Aber egal, die neue Dramaturgin Lena Meyerhoff hat es auf alle Fälle gut erklärt, auch um was es in dem Stück alles geht vor allem um Klassismus, also um Vorurteile und auch Diskriminierung was die soziale Herkunft, Klasse, betrifft.

Als Mitarbeiter der Kulturloge Gießen genau mein Thema, also ab ging die wilde Fahrt in den kleinen Theaterraum im Kleinen Haus. Und schon beim Reingehen war alles anders als sonst. Es gab Tische, an die man sich setzen kann wie in einem Lokal und nicht wie sonst, dass man aufgereiht dasitzt und auf die Bühne sieht.

Wenn ich mich also schon mal an so einen Tisch setzen kann, warum also nicht. So saß ich also eigentlich direkt auf der „Bühne“. Vor mir eine Art große Torte, wie wenn jemand gleich aus ihr heraus hüpft. Und genau das passiert dann auch. Svenja hüpft aus der Torte und gibt Witze zum Besten, die eigentlich gar nicht wirklich komisch sind. Wobei ich genau durch diese Situationskomik, durch ihre Gestik und Mimik, irgendwie gerne gelacht hätte.

Und sorry Svenja, oder besser gesagt Amina Eisner, die Svenja gespielt hat, irgendwie ist dieses lustig sein wollen, mit hochtrabenden Texten, dann doch irgendwie lustig, auch wenn es vielleicht beim ein oder anderen etwas länger dauert. Svenja ist Hospiz-Clown. In diesem Hospiz lebt Püppi und allein wegen ihr lohnt es sich, in dieses Stück zu gehen. Roman Kurtz in Frauenkleidung, diese Mimik und dieses Schauspiel dazu immer wieder herausragend. Unerreicht ist für mich „Sternenhimmel“, dieser Hit von Hubert Kah in der Version von Amina Eisner und Roman Kurtz hat mich echt fast zum Mitsingen animiert und dies ist bei NDW Songs seit meiner Tätigkeit als DJ eher schwierig.

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Foto: Rolf K. Wegst

Es geht aber in dem Stück auch darum, dass Svenja unbedingt die Goldene Möwe bekommen möchte, eine Location, wo es Kleinkunst gibt und die in dem Ort Blinden eine Institution ist, damit sie eine Auftrittsmöglichkeit für ihre Art der Comedy bekommt. Ihre innere Stimme, der Don gespielt von Germaine Sollberger, macht ihr immer wieder einen Strich durch die Rechnung, da sie dann immer genau das sagt, was sie denkt, oder auch gar nicht denken will. Der Don ist immer wieder daran schuld, dass sie über den Mitmenschen stellt, wenn er beispielsweise Ausländer ist, putzt oder andere Dienstleistungen anbietet wie Aram, gespielt von Ali Aykar. Und gerade dies macht das alles so beklemmend, wenn sich diese etwas untalentierte Komikerin Svenja über Aram stellt, und auch mal gerne ein wenig mit ihrer tollen Wohnung protzt.

Püppi liebe ich ja sowieso, wie sie immer wieder mit allem bricht. Ständig sucht sie einen Arbeiter, der sie besuchen soll, es ist wie eine Kontaktanzeige. Auf einmal stellt man fest, dass Püppi die Besitzerin der goldenen Möwe ist, die ja Svenja unbedingt haben möchte, aber auch Aram, der aber hauptsächlich wegen der Einliegerwohnung.

In dem Stück wird immer wieder mit Vorurteilen gespielt, die man den einzelnen Klassen in unserer Gesellschaft zuschreibt. Und wenn man ganz ehrlich ist, hat jeder von uns so einen kleinen Don in sich, der immer wieder schaut, dass man sich in der Schicht bewegt, bei der man sich am wohlsten fühlt. Wer von uns hat da denn arbeitslose Freunde, wenn er selbst arbeitet? Wen man selbst Student ist, oder studiert hat, hat man dann nicht auch Freunde aus diesem Dunstkreis? Gerade dieser Don, der wohl in jedem von uns lebt, ist sehr ehrlich, auch wenn man dann denkt, wow, was für ein Arsch. Aber es gibt diesen unsichtbaren Klassismus. Es fängt wirklich schon bei dem Eintritt an. Das wird genau bei diesem Stück zum Schluss auch Thema, dass arme Menschen nicht in diesem Stück sind, weil sie sich den Eintritt nicht leisten können.

Und da kommt dann mein Job ins Spiel. Ich sorge immer wieder als Mitarbeiter der Kulturloge Gießen dafür, dass sich Menschen aus sozial schwächeren Kreisen in diesem Theaterstück wiederfinden, in dem ich Freikarten für Theater und andere Kulturveranstaltungen an interessierte Menschen vermittle, die es sich sonst nicht leisten könnten. Vielleicht ist genau dies eine Möglichkeit, das ganze aufzubrechen, so dass dann auch der kleine Don in uns allen etwas zum Schweigen kommt. Zumindest sollte man über den inneren Don auch mal ein wenig nachdenken.

Ja, ich hätte gerne auch mal herzhaft gelacht bei dem Stück, denn Svenja und vor allem Püppi sind schon teilweise sehr lustig, aber sofort ist mir das Lachen auch wieder im Halse stecken geblieben, denn dieser kleine Don war stets gegenwärtig und genau dies macht mir dann doch auch etwas Angst und lässt mich nachdenklich zurück.

Aber genau dafür ist Kultur und Theater doch auch da, dass man nachdenkt, dass man einen Spiegel vorgehalten bekommt. Und ganz ehrlich, ich freue mich diese Schauspieler wieder zu sehen und sie genießen zu können. Ich habe mir schon das ein oder andere Stück mit diesen Schauspielern rausgepickt und werde sicherlich auch da mal vorbeischauen. Wie wäre es, wenn auch sie das Stadttheater in Gießen, oder auch jedes andere Theater, mit ihrem Besuch unterstützen? Sie haben es alle verdient, egal ob nun im Kleinen Haus oder im Großen Haus, schön und gut sind sie alle.

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Foto: Rolf K. Wegst
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