Stadtheater Gießen

Neujahr und das erste Mal seit zwei Jahren wieder in ein Neujahrskonzert im Stadttheater, irgendwie war ich doch ein wenig nervös. Das erste war, es war in der Vorhalle diesmal echt voll und das schon 45 Minuten vor Start des Neujahrskonzertes. Also als erstes schnell mal die Karten an der Abendkasse abholen. Was mir aufgefallen ist und das ist so ein Problem, welches ich einfach ansprechen möchte: Liebes Gießen, ihr alle begrüßt euch mit „Frohes Neues!“ und man redet miteinander, bitte denkt auch mal an die Menschen an der Abendkasse, beim Eingang oder bei der Garderobe. Wünscht diesen Menschen einfach mal ein Frohes Neues Jahr. Es dauert nicht lange und tut den Angestellten auch gut, so eine kleine Wertschätzung.

Aber darum soll es heute ja nicht gehen, es geht um das Konzert. Einige der Besucher haben am 1. Januar morgens das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker gesehen und man war skeptisch, wie Gießen im Vergleich dazu aussehen wird. Ich habe den Anfang auch am Morgen gesehen, aber es hat mich nicht abgeholt. Klassik erlebe ich am liebsten live und direkt vor mir. Vor dem Fernseher holt es mich nicht ab. Zum Glück gibt es ja unser Stadttheater. Die ersten Takte der Ouvertüre zu “Fidelio“ von Ludwig van Beethoven erzeugten bei mir direkt eine Gänsehaut unter dem Hemd und der Anzugsjacke. Da war die diese Energie sofort spürbar. Wie dieses Orchester zusammen mit Andreas Schüller, dem neuen Generalmusikdirektor des Stadttheaters Gießen, da agiert hat, war schon schön anzuhören und anzusehen. Vor allem war ich froh, dass doch auch einige Gesichter, die ich als Musiker in den letzten Jahren vermisst habe, wieder auf der Bühne gesehen habe. Dies ist im Übrigen auch der Grund gewesen, warum ich in letzter Zeit nicht zu den Symphoniekonzerten gegangen bin, ich hatte Angst, bestimmte Musiker nicht zu sehen.

Ich war sofort wieder eingefangen. Dieser Spaß bei der Musik, den man bei so vielen Musikern immer wieder erleben kann, ist einfach ansteckend und mitreißend.

Dazu gehört dann aber auch der „Wilhelm-Tell-Galopp“ von Johann Strauß Vater, wo aber auch Herr Schüller einiges an Information über die damalige Zeit mitgegeben, so dass man sich gut vorstellen konnte, wie das damals in der Vorstadt von Wien so gewesen ist.

Er hat einen wunderbaren Bogen auch zu Rossini geschlagen und auch da einiges über den Komponisten lustig und informativ verpackt. Das dann die Arie der Mathilde aus der Oper „Guillaume Tell“ von Julia Araujo gesungen wurde, hat dem ganzen dann echt die Krone aufgesetzt. Ich bin ja seit „Caterina Cornaro“ ein Fan von ihr. Diese Stimme von 0 auf 100 in gefühlt unter 5 Sekunden ist der Hammer. Ich kann einfach nicht anders, als mich vor ihr zu verneigen. Sie kann einfach schnell das ganze Theater für sich einnehmen. Ja, manche erwarten dies vielleicht, aber es ist trotzdem keine Selbstverständlichkeit. Sie hat mich da komplett aus dem Sessel gehauen.

Danach kam die Gewittermusik aus der Oper „Der Barbier von Sevilla“ von eben diesem Rossini. Es war einfach stimmungsvoll und ich war völlig gebannt von dem, was da auf der Bühne alles passierte. Ich hatte teilweise das Gefühl, dass das Philharmonische Orchester von Minute zu Minute sicherer und lebendiger wurde, Andreas Schüller war sowieso total lebendig. Er hat ein Feuer beim Dirigieren, was es sicherlich für die Musiker schwer macht, ihm zu folgen, aber er hat einfach eine besondere Energie auf der Bühne. Man muss immer mal auch über ihn lachen. Ich hatte so das Gefühl, er wollte damit auch dem Orchester eine gewisse Leichtigkeit geben.

Wo wir dann bei Gewitter waren und zwar in der Ausführung von Rossini, war ein gewisser Johann Strauß Sohn mit der Schnellpolka „Unter Donner und Blitz“ nicht weit entfernt. Und ehrlich, es macht Freude, so eine Polka zu erleben.

Wir hatten ja schon den „Willhelm-Tell-Galopp“ von Strauß Vater im Programm, da hat im übrigen Johann Strauß bei „Guillaume Tell“ geklaut und zwar genauer gesagt bei der Ouvertüre, die den ersten Teil abgeschlossen hat.

Für den zweiten Teil wurde das Publikum zur Wahl aufgerufen. Man konnte aus sechs Märschen zwei wählen, die dann gespielt wurden. Auch dies wurde mit einer Brise Humor von Andreas Schüller erklärt und ganz ehrlich, ich war ganz heiß darauf abzustimmen, was gespielt wird.

In der Pause waren sich viele einig, dass dieser Abend besser ist als morgens die Liveübertragung aus Wien im Fernsehen. Ich habe da festgestellt, dass es irgendwie sehr vielen genau so ging wie mir. Ja, technisch gesehen, sind die Wiener vielleicht besser als die Gießener, aber emotional ist so ein Besuch im Theater doch noch mal eine andere Liga.

Der zweite Teil begann eigentlich mit einem Klavierstück, dem „Militärmarsch“ von Franz Schubert, aber in einer orchestralen Version. Ich werde mir die Tage sicherlich noch mal das Stück als Klaviermusik anhören, auch wenn es für vier Hände ist, kann ich mir dies noch nicht so wirklich vorstellen.

Rossini hatten wir heute ja schon das ein oder andere Mal, aber er kam noch mal diesmal mit der Ouvertüre zur „Diebischen Elster“, wo auch wieder einiges an Information zu der Oper gegeben wurde. Als ich das so gehört habe, wusste ich warum diese Oper mir nicht unbedingt etwas sagte, aber schön war es.

Kommen wir nun zum ersten Wahlstück. Es war der „Ägyptische Marsch“ von Johann Strauß. Es hat einfach Spaß gemacht, den Musikern dabei zuhören und wie sie einem das Gefühl gegeben haben, ein Teil davon zu sein.

Ludwig van Beethoven gab es dann mit dem Lied der Klärchen „Die Trommel gerühret“ aus der Schauspielmusik zu Goethes „Egmont“ und wieder war es Julia Araujo, die uns mit ihrer Stimme verzauberte. Ganz ehrlich, wenn ich könnte, ich würde wahrscheinlich noch mal in die Oper gehen, nur um sie noch einmal singen zu hören, dazu das Orchester, da geht einem einfach das Herz auf.

Kommen ich nun zum Wahlstück 2. Es war der „Türkische Marsch“ von Ludwig van Beethoven und ganz ehrlich, mich hat bei diesem Stück ein Instrument gefangen, welches ich eigentlich immer belächelt habe und zwar war es die Triangel, nie aufdringlich oder laut, sondern genauso, dass ich bei jedem Schlag dieses kleinen unscheinbaren Instruments dachte, wenn die nun nicht erklingen würde, wäre die ganze Stimmung einfach weg. Diese Kleinigkeiten, wurde mir da klar, runden ein Konzert erst ab. Jeder noch so unscheinbare Musiker, der da auf der Bühne sitzt, ist wichtig und das Schlagwerk abseits vom großen Drum-Set, ist so oder so immer unterschätzt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass jedes Instrument und jede/r Musiker/in vollkommen wichtig ist, um einen so einzufangen. Wenn ich an die ganzen Donner und Blitze denke, die im Laufe des Abends auf der Bühne stattfanden, ziehe ich immer mehr den nicht vorhandenen Hut vor den Musikern.

Beim „Spanischen Marsch“ übertraf sich der Dirigent mit der Anmoderation selbst. Er legte sehr viel Wert auf die Kastagnetten und was die Musiker des Schlagwerks da abgebrannt hatten, war Spanisch ohne Ende, eine Lebendigkeit, so dass man immer wieder lachen musste und es genossen hat. Diese Lockerheit hat sich immer mehr auf das Publikum und die anderen Musiker ausgebreitet hat. Kaspern kann man als Musiker aber nur, wenn man sein Instrument beherrscht und das war hier offensichtlich der Fall, und so war es ein rundes Stück, wie auch der bisherige Abend.

Das es Zugaben gab, war von vornherein klar, da jeder ja „Die Blaue Donau“ bei einem Neujahrskonzert hören möchte. Ja, das Publikum stand teilweise, aber nicht so, wie ich es sonst schon in Gießen gesehen habe. Die zwei Zugaben, die danach kamen waren einfach der Bringer. Hier gönnte sich der Dirigent selbst noch ein Neujährchen mit der „Siamesischen Wachtparade“ von Paul Lincke. Als gebürtiger Berliner war er doch sehr betrübt, dass dieses Stück nicht zu den beiden Wahlsiegern des Publikums gehörte. Ich freue mich, dass es als Zugabe doch noch seinen Weg in mein Ohr fand. Es war hörenswert. Ich liebe diese Musiker ja, auch wenn sie vielleicht nicht perfekt sind, aber das sie auch noch singen können, hat mir wie auch allen anderen diesen Abend unvergesslich werden lassen. Ich bekomme noch immer Gänsehaut und Herzklopfen, wenn ich an das letzte Stück denke. Und da bin ich wieder bei dem, was ich oft schreibe. Geht ins Theater! Lasst euch überraschen von Opern, Schauspiel, Tanztheater oder Symphoniekonzerten! Seht euch nicht nur die berühmten Orchester an, geht in euer heimisches Theater, oder besucht auch mal Konzerte, von euren Bands oder Orchestern im Ort, vielleicht lernt ihr ein Instrument. Und wenn nicht, genießt diese Abende. Künstler in ganz Deutschland, egal ob groß oder klein, sind sehenswert. Genießt die Kultur vor Ort und nicht nur im Fernseher. Und noch etwas sagt Menschen, die euch bedienen, euch helfen, erst einen schönen Abend ermöglichen, Danke, so wie ich nun dem Stadttheater Gießen Danke sage, dass sie mir einen so tollen Abend bereitet haben. Und somit sage ich Danke und ein Frohes Neues Jahr an all diese Musiker, Bedienungen, die Menschen, die man nicht sieht und die ich nun vergessen habe aufzuzählen. Danke und ein Frohes Neues Jahr euch allen und ich freue mich auf Sie alle in 2023!

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