Die Vergessenen

Klappentext:

1944. Kathrin Mändler tritt eine Stelle als Krankenschwester an und meint, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Als die junge Frau kurz darauf dem charismatischen Arzt Karl Landmann begegnet, fühlt sie sich unweigerlich zu ihm hingezogen. Zu spät merkt sie, dass Landmanns Arbeit das Leben vieler Menschen bedroht – auch ihr eigenes. In München lebt ein Mann für besondere Aufträge, Manolis Lefteris. Als er geheimnisvolle Akten aufspüren soll, die sich im Besitz einer alten Dame befinden, hält er das für reine Routine. Erahnt nicht, dass er im Begriff ist, ein Verbrechen aufzudecken, das Generationen überdauert hat …

Rezension:

Wie war dass mit dem Beginn des Buches, Heike ich will nun mal was Seichtes lesen, ich habe in der letzten Zeit immer wieder harte Themen angefasst und es wird mal Zeit, dass ich mal etwas mit weniger Tiefgang lese, so zur Entspannung?

Dies waren so meine Gedanken, mit denen ich dieses Buch angefangen habe. Ich dachte, Waschzettel lesen und so brauche ich natürlich nicht. Ein Spannungsroman der im heute und Ende des 2. Weltkrieges spielt, wird schon kein so hartes Thema anfassen. Oder zumindest keines, welches ich nicht schon 100-mal oder mehr in Variationen gelesen habe. Doch das Thema welches als Grundlage für die Geschichte um Veras Tante Kathrin im 2. Weltkrieg dient, hat mich dann doch heftig erwischt.

Euthanasie ist genau dieses Thema, welches ich lange nicht mehr in der Hand hatte und mich immer wieder bewegt. Ebenso heftig ist das Massaker von Distomo, welches 1944 in Griechenland von der SS verübt wurde.  Dieses bildet die Grundlage von Manolis Familiengeschichte.

Ellen Sandberg wählt allerdings zwei fiktive Orte. Es ist zum einen die Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg bei München, die es nicht gibt, genauso wie der Heimatort von Manolis Familie in Griechenland. Beide Orte haben aber reale Vorbilder, und ja, ich habe mich mal wieder dabei erwischt, wie ich nach Winkelberg gegoogelt habe. Ich war so geschockt von der Beschreibung der Euthanasie an kleinen Kindern und alten Menschen, dass ich schauen musste, ob es diese Anstalt wirklich gab. Die Schilderungen ließen einen Film in meinem Kopf entstehen, mit Bildern von denen ich dachte, das kann sich die Autorin nicht ausdenken.

Nun muss man ja dazu sagen, dass das psychiatrische Krankenhaus (PKH) und die Uni hier in Gießen ja auch keine weiße Weste haben, aber ich glaube, dass dies an so vielen Orten hier in Deutschland während der Nazizeit der Fall war. Einige Einrichtungen bemühen sich heutzutage auch um eine Aufarbeitung der Vergangenheit.

Ellen Sandberg nimmt einen so richtig mit auf die Reise in die deutsche Geschichte und konstruiert einen Fall, der auch in das Heute greift. Er zeigt, wie nah unsere eigene Geschichte doch noch immer sein kann. Wenn es um den 2. Weltkrieg geht, ist einiges noch starker mit der Gegenwart verbunden, als man manchmal glauben möchte. Es wird die Frage aufgeworfen, ob es eigentlich eine wirkliche Gerechtigkeit für die Menschen geben kann, die solche Massaker wie in Distomo erlebt haben, oder in Heil- und Pflegeanstalten waren, in denen behinderte Kinder und alte Menschen, systematisch umgebracht .

Diese Frage wird in dem Buch immer wieder aufgeworfen und wenn ich ehrlich bin, wird sie nicht richtig beantwortet. Aber kann man das überhaupt? Die Todesstrafe ist in meinen Augen die falsche Strafe für diese Menschen, die für solche Gräueltaten verantwortlich waren. Es geht mir da noch viel zu schnell. Aber bewegt man sich mit solchen Gedanken nicht schon fast auf deren Niveau? Wie sieht Gerechtigkeit aus?

Ich glaube, man merkt mir an, dass mich dieses Buch sehr bewegt. Die Autorin schafft es immer wieder, mich zu fesseln. So bei Seite 300 dachte ich, na ja, tolles Buch und wieso hat es noch 200 Seiten, die Geschichte ist doch erzählt? Doch dann bekommt es noch einmal Fahrt.  Ich dachte, die Geschichte sei erzählt, doch es wurden noch einmal neue Aspekte gezeigt. Es werden Probleme der Gesetzgebung angesprochen und welche Schwierigkeiten man wegen Gutachten haben kann.

Es ist ein Teil deutsche Geschichte, die man nicht vergessen sollte. Es sind Taten, die in dem Buch beschrieben werden, die wir nicht vergessen sollten, und doch zu gerne werden sie verdrängt, oder zumindest der Mantel des Schweigens darüber geworfen. Ein Satz kommt immer wieder in mir hoch. In einem meiner Telefonate mit Heike während des Lesens sagte sie, dass manchmal Themen unserer eigenen Geschichte einfach zu oft wieder nach oben geholt werden und andere werden einfach vergessenen, oder der Mantel des Schweigens darüber gelegt.

Es ist oft einfach die Menge wie häufig etwas erzählt wird, die einen manchmal abstumpfen lässt. Vielleicht ist manchmal ein Roman der richtige Weg, um einem die Geschichte wieder näher zu bringen, und bestimmte Punkte der Geschichte nicht zu vergessen. „Die Vergessenen“ ist ein Buch gegen das Vergessen, welches spannend ist und ohne den großen Zeigefinger immer wieder Fragen aufwirft, wie der richtige Umgang mit unserer eigenen Geschichte sein sollte.

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