J. Ryan Stradal

1. Ist dies das erste literarische Werk, das Sie verfasst haben? Wann und
warum haben Sie beschlossen, diesen Roman zu schreiben?

Ich schreibe schon mein ganzes Leben, aber erst mit Ende zwanzig habe ich
angefangen, über eine Veröffentlichung nachzudenken. Mit dreißig habe ich
das erste Mal eine meiner Geschichten an eine Literaturzeitschrift geschickt,
an die Hobart in Michigan. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso ich so lange
damit gewartet habe – einmal abgesehen davon, dass ich das Gefühl habe,
sowohl beim Schreiben als auch beim Lektorieren der eigenen Texte noch viel
lernen zu müssen, aber das gilt ja eigentlich für jeden Schriftsteller. Die Idee
zu Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens kam mir im Sommer
2011, nachdem ich in L.A. an einem Pop-up-Dinner teilgenommen hatte, aber
einige der Charaktere und Aspekte der Geschichte habe ich schon seit
geraumer Zeit im Kopf. Jordy Snelling zum Beispiel trage ich schon seit Jahren
mit mir herum, seine Welt habe ich in einigen früheren Texten ein wenig
erkundet.

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J. Ryan Stradal (c) Diogenes Verlag

2. Wie ist dann daraus eine eigene Geschichte geworden?

Ich wusste schon sehr früh, wie das Buch ausgehen soll, die allerletzte Szene
stand also von Anfang an fest. Das Menü im letzten Kapitel habe ich auch
schon ziemlich zeitig festgelegt, kurz nachdem ich mit dem ersten Entwurf des
Romans angefangen hatte. Die komplette Erzählung sollte sozusagen auf
dieses Dinner hinauslaufen. Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens
ist insgesamt wie ein Rezept aufgebaut, und das nicht nur in Bezug aufs Essen,
sondern auch auf die Hauptfigur.
3. Wie haben Sie sich auf das Buch vorbereitet? Woher hatten Sie die
Rezepte, und welche Rolle hat der US-amerikanische Mittlere Westen
dabei gespielt?
Der Mittlere Westen war unglaublich wichtig. Ich hätte diesen Roman nicht
schreiben können, wenn ich nicht 22 Jahre meines Lebens dort verbracht
hätte. Als Vorbereitung auf das Buch habe ich alle Rezepte nachgekocht und
alle Lebensmittel gegessen, die darin vorkommen. Bis auf ein oder zwei
Ausnahmen hat die Recherche also großen Spaß gemacht. Die meisten
Rezepte habe ich aus einer Sammlung, die Freunde meiner Großmutter Lois
Bly Johnson aus North Dakota zusammengetragen haben. Mich auf einer so
emotional-sinnlichen Ebene mit meiner Familie und meiner Familiengeschichte
zu beschäftigen, hat viele Erinnerungen wachgerufen. Es hat mir
aber auch vor Augen geführt, wie anders ich mich als Kind ernährt habe.
4. Essen spielt im Roman und im Leben der Figuren eine große Rolle.
Wie wichtig ist Essen Ihrer Meinung nach im Alltag und in Bezug auf
zwischenmenschliche Beziehungen?
Sehr wichtig. Fast alle sozialen Kontakte finden bei mir im Rahmen eines
Essens statt, egal ob mit alten oder neuen Freunden, ob zu Hause oder im
Restaurant. Als Erwachsener in Kalifornien esse ich sehr viel öfter außer Haus
als während meiner Kindheit in Minnesota, und das liegt nicht zuletzt daran,
dass Essen sich zum Mittelpunkt des sozialen Lebens entwickelt hat.
5. Haben Sie eine Lieblingsfigur im Buch? Falls ja, welche und warum?
Es fällt mir schwer, mich auf nur eine festzulegen. Aber wenn ich überlege, bei
welcher ich das Gefühl hatte, ich könnte ein ganzes Buch über sie schreiben,
dann würde ich sagen Pat Jorgenson Prager aus dem Kuchenriegel-Kapitel. Pat
ist für mich eine Mischung aus meiner Mom und mehreren anderen Frauen,
die in meiner Kindheit eine Rolle gespielt haben, und meiner Meinung nach
findet man solche Figuren nicht oft. Manchmal ist es mir sehr schwergefallen,
die Charaktere aufzubauen, für das Kapitel über Jordy Snelling habe ich zum
Beispiel Monate gebraucht. Aber Pat ist mir nur so aus der Feder geflossen,
ohne jede Anstrengung. Ich denke, es war einfach an der Zeit, dass ich über sie
schreibe. Ich bin morgens aufgewacht und habe mich schon darauf gefreut,
wieder Zeit mit ihr und in ihrer Welt zu verbringen.
6. Arbeiten Sie im Moment schon am nächsten Roman oder vielleicht an
einem zweiten Band?
Ja, der erste Entwurf für einen neuen Roman ist beinahe fertig. Gut möglich,
dass ich noch eine Menge daran ändere, deshalb möchte ich noch nicht allzu
viel darüber sagen. Nur dieses: Es ist eine tragische Familiengeschichte, die
mehrere Generationen umspannt, und sie spielt ebenfalls im Mittleren Westen.
Es sind Verwandte von Pat Prager. Im Moment sind die Hauptfiguren Pats
Mutter Edith und Pats Nichte Diana, die Tochter ihres großen Bruders Mark,
der in Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens kurz erwähnt wird.
Das Schreiben war für mich sehr anstrengend, hat aber auch Riesenspaß
gemacht. Ich freue mich so, dass ich wieder jeden Tag mit Pats Familie zu tun
habe, diese Figuren überraschen mich mit ihrer Großzügigkeit und
Widerstandskraft stets aufs Neue.

Leseprobe : 

Leseprobe_Stradal_Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens

(c) by Diogenes Verlag

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